Sonntag, 20. März 2016

Das lange gefürchtete Posting

Aus aktuellem Anlass.

Ich weiß nicht, ob es aus meinen Postings ersichtlich wird: Ich versuche, meine Schilderungen und Texte über das Leben als Alleinerziehende immer recht wenig emotional, dafür umso pragmatischer und optimistischer zu halten.

Wie ich schon einmal andeutete, ist das Alleinerziehendsein nicht unbedingt etwas, das überhaupt nicht zu mir, zu meiner Persönlichkeit "passt". Warum - das ist ein Thema, über das ich mich lang und breit auslassen könnte. Trotzdem ist es keine "selbst gewählte" Lebensform von mir.

Die Entscheidung, mich vom Vater meines Sohnes zu trennen und mit meinem Kind alleine zu leben, habe ich mir nicht leicht gemacht. Wahrscheinlich hätte es andere Frauen gegeben, die in einer vergleichbaren Situation geblieben wären, aber für mich gab es keine Alternative. Mich hat meine Entscheidung lang, lange geplagt. Auch heute kann ich mich nicht immer gut von den mit dieser Entscheidung verbundenen Gefühlen distanzieren.

Aber ich ziehe es eben durch. Und dazu gehört, dass ich mit meiner Situation nach Möglichkeit nicht hadere. Das hat sicherlich vielerlei Gründe, in denen sich meine Ambivalenz wiederspiegelt:

Einer davon ist, dass ich - das habe ich sicherlich auch schon irgendwann einmal ausgeführt - wie viele andere Alleinerziehende auch nicht genügend Abstand zu meinen Schuldgefühlen habe. Man kann - leider - auch hinter seiner Entscheidung stehen und trotzdem Schuldgefühle haben! Sie dominieren mich nicht, aber so ein kleines Hintergrundrauschen werde ich wohl noch länger mit mir herumtragen. Ich jammere nicht gern, das heißt, meine Schuldgefühle verbieten es mir, mich zu beklagen. Ein weiterer Grund ist, dass es mich in einen maximalen Dissonanzzustand brächte - eine ziemlich sinnlose Sache. Die Situation ist, wie sie ist, und so nehme ich sie an. Ich feiere sie nicht, aber ich möchte auch nicht unzufrieden sein.

Im Großen und Ganzen habe ich es sicherlich geschafft, mich für die positive, starke, optimistische Seite zu entschieden und diese auch nach außen zu transportieren. Ich habe schön öfter mal gehört, dass ich so eine "starke Frau" (oder, mein absolutes persönliches Un-Wort: "Powerfrau") sei. Ich mag diese Schublade nicht, aber gut. Ich denke, es ist nett gemeint. Nun passiert es aber doch manchmal: Dass ich an einem Punkt ankomme, an dem mir das Alleinerziehen zu viel ist. Tage, an denen ich maximal unglücklich bin und alle möglichen negativen Gedanken über Tage hinweg konzertiert mein Wohlbefinden bombardieren und ich völlig erschöpft und vor allem verzweifelt bin.

Ich bin niemand, der viel klagt. Klar bin ich ehrlich und sage durchaus, dass ich im Stress bin, aber das war's meistens auch schon. Manchmal kann ich mich überwinden und heule mich bei vertrauten Menschen aus, aber bei den meisten Personen aus meinem Umfeld ist es dennoch so, dass ich mich, wenn es mir wirklich schlecht geht, vor ihnen lieber zurückziehe, bis es mir besser geht. In meinem unmittelbaren Umfeld sind alle Mütter mit den Vätern ihrer Kinder zusammen. Das ist ein ganz anderer Planet.

Und nun kommt der Moment, den ich so fürchte. Der Teil meines Posting, auf den ich so lange hin gearbeitet habe. Ein Thema, das ich immer, immer vermeiden wollte, weil es andere oft genug sagen und ich mich standhaft geweigert habe, auch nur ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, weil ich nicht missverstanden werden oder es mir gar mit anderen Frauen verscherzen will. Und nun schreibe ich es doch.

Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, zu erzählen, dass es einem eine Zeit lang richtig doll schlecht ging. Und das Schlimmste, wirklich: Das aller-allerschlimmste, falscheste, unpassendste und gefährlichste, was darauf hin entgegnet werden kann, ist, dass man selbst die Situation "kennt" bzw. diese Probleme auch hat.

Ich glaube, es gibt keine alleinerziehende Frau, bei der in so einem Moment nicht eine Million innere Sprengsätze explodieren. Bei mir führt das dann dazu, dass ich gar nicht mehr in der Lage bin, auch nur halbwegs adäquat zu reagieren. Bei fremden Müttern kann ich mit sowas viel besser umgehen, als mit Menschen, die mir nahe stehen. Da versuche ich, gar nicht zu reagieren - aber irgendwann geht das nicht mehr. Darum versuche ich es nun hier und jetzt.

Das Leben ist mehr als eine Aneinanderreihung von Tagen, die sich aus Zeiteinheiten zusammensetzen und ein Alltag ist kein modularisierter Bausatz, bei dem Alleinerziehende in einzelnen Modulen ein technisches Problem haben. Es sind nicht einzelne Stunden, in denen wir eine abgewandelte Version des Lebens gepartnerter Mütter haben. Es sind auch nicht nur einzelne Situationen, die für uns schwieriger sind.

Was uns von Frauen mit Partner unterscheidet ist, dass wir 24/7 die alleinige Verantwortung haben. Mir ist klar, dass in den meisten Partnerschaften die Frauen den größeren Anteil an der Versorgung und Organisation im Zusammenhang mit den Kindern übernehmen - meist wird ja doch eher eine klassische Rollenaufteilung gewählt, in der ein Partner einer Vollzeittätigkeit nachgeht, die die Grundsicherung der Familie gewährleistet, und der andere Teil, mehr oder weniger freiwillig, eine Teilzeitstelle hat, die den Wohlstand sicherstellt - und eben den Alltag mit Kindern wuppt. Dazu gehören sicherlich auch jede Menge Querelen mit dem Kind, eine Menge Ärger, Verletzungen und Enttäuschungen. 

Nur: Selbst, wenn der Mann nicht dauerpräsent ist: Partnerschaft bedeutet auch gemeinsame Verantwortung. Verantwortung füreinander und miteinander. Verantwortung hat nichts mit der Quantität gemeinsamer Zeit zu tun, sondern mit der Art der Beziehung. Diese gemeinsame und gegenseitige Verantwortung ist das, was eine gepartnerte Mutter immer hat, worauf sie sich immer verlassen kann. 

Ich fühle mich irgendwie verpflichtet, auch kurz auf die Frauen einzugehen, die an dieser Stelle denken, dass ihr Mann überhaupt keine Verantwortung übernimmt und sie eher belastet, als auch nur ansatzweise zu unterstützen - ich glaube, von diesen gibt es viele. Und diese Frauen meine ich ganz klar nicht.

In guten, intakten und vor allem gemeinsam ausgehandelten Partnerschaften aber ist eine Mutter eben nicht allein verantwortlich. Und selbst, wenn ihr Partner an vielen Abenden spät nach Hause kommt, so kann sie sich darauf verlassen, dass er grundsätzlich da ist.

Da ist, wenn sie an einem Punkt ist, wo das Kind sie in die Verzweiflung treibt - und dann ein zweiter Mensch da ist, der sich an der Erziehung beteiligen kann (und das hoffentlich dann auch tut!)

Da ist, wenn sie sich Sorgen macht und er sie beruhigt.

Da ist, wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen.

Und: In den meisten Fällen sichert er - oder eben einer von beiden - die Existenz. Ein zweites Einkommen sichert den Lebensstandard, einen Standard, von dem man als alleinerziehende Frau nicht mal mehr träumt: Eigenheim, optimalerweise groß mit irgendwas Grünem, Auto, Urlaub, Hobbys.

Gerne wird ja darauf hingewiesen, dass der Partner "auch nicht immer da" sei, viel arbeite... aber selbst, wenn er in einer kritischen Situation nicht sofort da ist, so kommt er irgendwann nach Hause. Sie kann sich darauf verlassen, dass er irgendwann nach Hause kommt und dass das nicht eine freiwillige Extraleistung ist, sondern der Teil seiner Verantwortung, die er übernommen hat. Nicht zuletzt, weil er sie liebt und auch ein Interesse daran hat, sie als Partnerin zu behalten.

Die Bindung zwischen Eltern und Kind stellt für das Kind die Basis dar, auf der es seine Umwelt erkunden kann; sie ist das absolute Vertrauen, dass es einen sicheren Hafen gibt, zu dem man immer wieder zurückkehren kann und in dem man mit offenen Armen empfangen wird. Damit wird auch der Grundstein gelegt für die Bindungen, die wir als Erwachsene eingehen und wenn alles gut läuft, erfahren wir eine ähnliche Sicherheit in der Beziehung mit dem Partner. In einer intakten Partnerschaft hat man ein gewisses Maß an Sicherheit; diese Sicherheit macht den Großteil der Existenzberechtigung langjähriger Paarbeziehungen aus, sie ist Sinn und Zweck einer solchen Bindung. Man verhandelt gemeinsam, man plant gemeinsam und man (er-)trägt gemeinsam. 

Ich habe das große Glück, Menschen in meinem Umfeld zu haben, die ihr möglichstes tun, um mich zu unterstützen. Abgesehen davon, dass rein quantitativ meine Verwandtschaft so gut wie all das abdeckt, was normalerweise der getrennte Vater übernehmen sollte (was in der praktischen Umsetzung bei uns schwierig ist), weiß ich, dass ich anderen am Herzen liege und erfahre viel Zuwendung.

Und trotzdem gibt es nichts - nichts - was das Vorhandenseins eines Mitverantwortlichen im Alltag ersetzt. Solange man kein Netz hat, keinen doppelten Boden, keinen sicheren Hafen - ist jede Hilfe, jede Zuwendung, jede Unterstützung, etwas von relativ kurzer Halbwertszeit.

Es sind Dinge, die mein Funktionsniveau aufrecht erhalten, aber sie tragen nichts zur Entschärfung der Gesamtsituation bei. 

Auch nicht die regelmäßigen "freien" Abende, die ich habe und die mir tatsächlich schon einmal als "Vorteil", den ich als Alleinerziehende durch die Unterstützung meiner Mutter habe, unterbreitet wurden - weder gehe ich dann aus, noch schlafe ich am nächsten Tag bis in die Puppen. Häufig vermisse ich mein Kind sogar, wenn er nicht bei mir ist. Ganz, ganz selten sind es mal zwei Nächte am Stück, die ich "frei" habe - und noch seltener erlaube ich mir, solche Zeiten nicht auszunutzen, um ohne gestört oder unterbrochen zu werden zu arbeiten. Wenn ich das nicht mache, dann nur, weil ich so erschöpft bin, dass ich nicht mehr kann. Das ist dann das, wenn andere Urlaub nehmen- eine Zeit, die viele gepaarte Menschen nutzen, um mit ihrer Familie wegzufahren und sich ein, zwei Wochen so richtig zu entspannen, zu regenerieren und es sich gut gehen zu lassen. Eine Sache, die man sich als partnerlose Mutter so ziemlich abschminken kann.

Nein, es gibt nichts, aber auch gar nichts, was es rechtfertigt, die Situation einer Mutter mit vielbeschäftigtem Ehemann in die Waagschale zu werfen, wenn eine partnerlose Mutter erzählt, dass sie vor ein paar Tagen so fertig war, dass sie eine Stunde durchgeheult hat. Alleinerziehend zu sein ist wie im Alltag nur einen Arm haben. Da ist auch das verstauchte Handgelenk beim Zweiarmigen kein adäquater Vergleich. Diesen Unterschied kann man nicht wegdiskutieren.




Meinen Freundinnen und all den gerpartnerten Müttern da draußen gönne ich von Herzen, dass es ihnen besser geht. Ich lasse mir gern von ihren Urlauben erzählen und von den Arbeiten an ihren Häusern, dem neuen Auto, den Ausflügen, dem zweiten und dritten Kind, der Beförderung oder der Auszeit, die sie sich von der Arbeit nehmen, von den Hobbys der Kinder - es sind ihre Lebensentwürfe, sicher ist nicht alles optimal und vieles davon ist mir fremd; manches (z. B. die Haushaltsilfe) hätte ich auch gern, anderes wiederum nicht.

Ich bin für sie froh, dass sie keine Ahnung haben, wie sich die Lage als alleinverantwortliche, alleinerziehende Mutter anfühlt, die sich nur selbst stützen kann, die kein "Wir schaffen das schon!" kennt. Wie es ist, wenn es vorne und hinten fehlt und man sich nur wünscht, mal ein kleines bisschen Sicherheit zu haben. Wenn man sich mehrmals die Woche fragt, was eigentlich passiert, wenn man es nicht schafft, sich aus dieser Lage herauszumanövrieren, und wenn man regelmäßig das Gefühl hat, mit seiner psychischen und körperlichen Kraftaufwendung am Anschlag zu sein. Viele erinnern sich vielleicht an die Zeiten als Single und wie einem da ein gewisser Rückhalt fehlen kann - mit Kind geht es noch einen Schritt weiter und es steht viel, viel mehr auf dem Spiel, wenn ein Kind in einer solche prekären Situation groß wird.

Nur eins wünsche ich mir: Dass sie ein wenig versuchen, sich in meine Lage zu versetzen und sich vorher überlegen, ob gerade ein guter Moment ist, mir ihre Sorgen zu präsentieren, die für mich in manchen Momenten einfach nur wie Luxusprobleme wirken. Ich möchte eine gute Freundin sein, die ein offenes Ohr für ihre lieben Menschen hat. Wenn ich mich schon überwinde zu sagen, dass es mich gerade sehr doll beutelt, dann wäre es lieb, wenn ich mir im nächsten Atemzug nicht anhören muss, dass es auch mit Partner manchmal schwer ist. Dafür verspreche ich hoch und heilig: Wenn mir eine Frau erzählt, dass sie mit ihrem Partner nur noch Streit hat, er sie schlecht behandelt und sie jeden Abend in ihre Kissen weint, werde ich tunlichst vermeiden zu sagen:
"Ohne Partner ist es aber auch ganz schön hart."


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen